Schwerpunkte Interviews zur Corona-Pandemie

Seit März 2020 verändert das Virus Covid-19 unser Leben. Fast alles, was wir gewohnt waren, wurde durcheinandergebracht, als Individuum, aber auch als Gruppe und im Beruf. Wie wir uns treffen, arbeiten, unser privates und kirchliches Leben gestalten.

Um diesen Veränderungen auf den Grund zu gehen, wurden bereits im ersten Lockdown an die 60 Interviews mit Akteur:innen auf unterschiedlichen Handlungsebenen kirchlicher Praxis geführt. Dabei hat sich herausgestellt, dass in manchen Bereichen bestimmte Themen, Problematiken und Bedürfnisse besonders deutlich hervortreten.

Die Hauptthemen waren digitales Arbeiten, Selbstorganisation, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Gottesdienst.

Um diese Themen, die Leitungshandeln betreffen, in die Leitungsebene zu bringen, wurden Veranstaltungen, wie z. B. Sorgearbeit, angeboten. Problematiken und Spannungen konnten sich dadurch teilweise entschärfen.

Im September 2020 gab es erneut Interviews zu den Veränderungen während der Corona-Pandemie. Dieser zweite Interview-Durchgang hat aufgezeigt, dass die Hauptthemen weiter aktuell sind, zusätzlich, aufgrund der andauernden Pandemie-Situation, Bedenken und Ängste zunehmen: Zukunftsängste, Angst vor Ansteckung, vor Doppel- und Mehrbelastung, vor Einsamkeit, Angst vor Überforderung.

<strong>Schwierigkeiten und Herausforderungen</strong>

1. Digitales Arbeiten

  • Persönliche Gespräche fehlen.
  • Kontaktaufnahme nach außen fällt schwer.
  • Digitale Formate in Balance zu analogen Angeboten – ergänzen oder ersetzen.

2. Selbstwirksamkeit/Selbstorganisation

  • Selbststrukturierung erfordert Disziplin und das Setzen von Prioritäten.
  • Langes Home-Office führt zu Ermüdungserscheinungen.

3. Vereinbarkeit von Familie und Beruf

  • Geschlechterungerechtigkeit in Familien.
  • Kinder sind die (unsichtbaren) Verlierer der Pandemie.

4. Gottesdienst

  • Schlechte analoge Gottesdienste werden digital nicht besser.
  • Überlastung durch zusätzliche digitale Gottesdienste.
  • Sinnvolle Angebote für Jugendliche und Konfirmanden fehlen.
  • Gesellschaftliche Verantwortung außerhalb von Gottesdiensten fehlt.
<strong>Chancen und Erkenntnisse</strong>

1. Digitales Arbeiten

  • Digitale Angebote sind konstruktiv, kontakthaltend, Netzwerk-fördernd, effektiv und zielführend.
  • Mehr Entlastung durch Vernetzung und Austausch.
  • Digitale Konferenzen schonen die Ressourcen.
  • Langfristige Planung von Veranstaltungen sichern.

2. Selbstwirksamkeit/Selbstorganisation

  • Neue Freiräume und Vertrauen schaffen Kreativität – Scheitern ist erlaubt.
  • Kirche verändert sich selbst, wenn man Akteur:innen mutig machen lässt.
  • Vertrauen in Mitarbeiter:innen fördert Innovation.

3. Vereinbarkeit von Familie und Beruf

  • Agiles Arbeiten gibt mehr Flexibilität.
  • Es bedarf einer Haltungsänderung auf Seite der Arbeitgeber:innen: Familien und Kinder brauchen eine Unterstützungsstruktur.
  • Flexibilität und eigenverantwortliches Arbeiten weiterhin ermöglichen und erhalten.

4. Gottesdienst

  • Digitaler Gottesdienst braucht neue Ansätze und Regeln: kürzer, asynchron, dauerhaft verfügbar.
  • Besucher:innen von analogen und digitalen Gottesdiensten sind grundverschieden.
  • Menschen, die digitale Gottesdienste besuchen, kommen nicht automatisch in den analogen.
  • Zu wenig sichtbare interreligiöse und ökumenische Zusammenarbeit in der Öffentlichkeit.
  • Kirche dreht sich zu sehr um sich selbst – Verantwortung in der Gesellschaft muss übernommen werden.
<strong>Was bleibt anders</strong>
  • Digitale Formate, Gottesdienste und Angebote
  • Ausbau von Netzwerken
  • Mut zum „ungefähr“
  • Flexibilität durch agiles Arbeiten
  • Möglichkeit zum Home-Office
  • Online Gremien, Konferenzen und Veranstaltungen
  • Solidarität
  • Reflexion und Hinterfragen des Vorhandenen
  • Flexibilität in den liturgischen Formen
  • Blick nach außen – Bedürfnisse der Menschen
<strong>Offene Fragen</strong>
  • Wie können digitale Kompetenzen sinnvoll und ressourcenschonend gefördert werden?
  • Vermittlung von digitalen Kompetenzen schon in der Ausbildung?
  • Wie können Kriterien für digitales Arbeiten entwickelt werden?
  • Welche Gremien und Sitzungen brauchen welche Formate?
  • Was kann in Zukunft wegfallen? 
  • Wie kann Innovation möglich gemacht werden? Welche Strukturen braucht es dafür?
  • Wie ist mehr Unterstützung von Familien und Alleinerziehenden möglich?
  • Wie können Kinder bei einem erneuten Lockdown geschützt werden? Was ist die Rolle der Kirche?
  • Digitale Gottesdienste zusätzlich oder ersatzweise zu analogen?
  • Sind Gottesdienste systemrelevant? Oder liegt der Fokus zu wenige auf: Was ist jetzt dran? Was brauchen die Menschen?
  • Wer besucht digitale Gottesdienste im Vergleich zu analogen? Was wissen wir über die Zielgruppe?
  • Was macht einen digitalen Gottesdienst „gut“, welche Inhalte und Strukturen machen Sinn?
  • Ersetzt der digitale Gottesdienst den traditionellen Sonntagsgottesdienst? 
  • Wie verändert sich durch die digitalen Gottesdienste die Gottesdienst-Liturgie?

 

Um den Ansatz der Selbstreflexion weiterzuverfolgen, wurde gemeinsam mit Akteur:innen aus unterschiedlichen kirchlichen Praxisfeldern das Kartenspiel Aufgemischt! entwickelt. Konkrete Fragen und Aussagen sollen anregen, über die Zeit mit Corona spielerisch ins Gespräch zu kommen und darüber hinaus eigene Antworten darauf zu finden, wie es weitergehen kann.