Aufbruch in Vielfalt

Aktualisiert am 15.12.2021

Abschlussfeier des Fernstudienkurses „Theologie geschlechterbewusst – kontextuell neu denken“ am 23. September 2017 in Magdeburg

„Aufbruch in Vielfalt“ – unter diesem Motto fand am Samstag ein feierlicher Abschlussgottesdienst mit anschließendem Empfang im Remter des Doms zu Magdeburg statt. Fünfzehn Frauen aus der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und der Evangelisch-Lutherischen Kirche Sachsen hatten den Fernstudienkurs „Theologie geschlechterbewusst – kontextuell neu denken“ abgeschlossen, der über eineinhalb Jahre ging. Der Kurs fand erstmals mit den neuen, überarbeiteten Studienbriefen und unter neuem Namen statt. Unter dem Titel „Fernstudium feministische Theologie“ lief er seit 2004 in vielen Landeskirchen der EKD. Neuere Entwicklungen in den Gender Studies und der kritischen Männerforschung wurden in das Curriculum aufgenommen, so z. B. die Hinterfragung der heterosexuellen, binären Zuordnung der Geschlechter durch queere Theolog_innen oder die Auseinandersetzung mit Männlichkeitskonstruktionen in der Antike und der Gegenwart.

Das Ende des Kurses markiert gleichzeitig einen Anfang, denn viele der Teilnehmerinnen möchten das Gelernte in ihre Kirche einbringen, Impulse setzen und Kirche so behutsam, aber stetig in Richtung Geschlechtergerechtigkeit verändern. Die Stärkung und Ermutigung dafür gab es u. a. in der Predigt von Landesbischöfin der EKM Ilse Junkermann, die die Predigt zu Röm 12,1-11 hielt. Sie machte deutlich, dass die Bibel in gerechter Sprache, die im Fernstudium intensiv behandelt wurde, Texte neu erschließen und Menschen Zugänge zur Bibel ermöglichen kann. Es mache einen Unterschied, ob man den Satz aus Röm 12,1 so höre: „Ich ermutige Euch, Geschwister“ (Bibel in gerechter Sprache) oder so: „Ich ermahne euch, Brüder und Schwestern“ (Luther 2017). Es mache einen Unterschied, ob man „seinen Leib als ein Opfer hingeben“ solle (Luther 2017) oder ob man seinen Körper „als lebendige und heilige Gabe darbringen“ soll (Bibel in gerechter Sprache). Auch bei den Gottesbildern sei es wichtig, alte Verkrustungen zu lösen und sich einer Vielfalt zu öffnen. Dazu leiste das Fernstudium einen wichtigen Beitrag, indem es Menschen sprachfähig in Bezug auf den eigenen Glauben mache.

Im Gottesdienst brachten Teilnehmerinnen auch zum Ausdruck, in welcher Weise das Fernstudium sie inspiriert hat. Eine sagte: „Im Laufe der letzten Jahre habe ich mit meinen christlichen Prägungen gehadert. Die Lebensrealitäten und Glaubensgrundsätze sind immer weiter auseinandergedriftet. Was als unverrückbar galt, habe ich begonnen anzuzweifeln. Vieles, was mir vertraut war, kann ich nicht mehr als meine Religion/meinen Glauben vertreten. Warum und wie aber kann ich weiter Christin bleiben? Das Fernstudium hat mir das Kennenlernen von Menschen und Theologien ermöglicht mit deren vielfältigen Perspektiven es mir gelingt, meinen Glauben neu zu gestalten und zu leben.“ Eine andere sagte: „Mir hat es im Fernstudium und weit darüber hinaus die Bibel in gerechter Sprache besonders angetan. In ihr habe eine Fülle von Anregungen gefunden und denke, es geht um Befreiung, Leben, Gerechtigkeit und nicht um ein Konservieren von Vergangenem.“

Beim anschließenden Empfang wurden den Teilnehmerinnen nach Grußworten vom Direktor des Amtes für kirchliche Dienste in der EKBO, Matthias Spenn, von Studienleiterin im EKD-Zentrum für Genderfragen in Theologie und Kirche, Ellen Radtke und von der Vorsitzenden des Beirats der Frauenarbeit in der EKM, Bettina Krause, die stellvertretend auch für den Vorstand der Frauen in der EKBO sprach, die Zertifikate und Teilnahmebescheinigungen überreicht. Die Teilnehmerinnen hatten im Selbststudium die sieben Studienbriefe zu zentralen Themen wie Bibel, Gott, Christus Jesus, Kirche, Spiritualität und Ethik gelesen und sich zum Austausch in regionalen Gruppen getroffen. Auf sieben Studienwochenenden wurden die Themen mit Unterstützung durch eingeladenen Fachreferent_innen vertieft. Die Gruppe beschäftigte sich in einer lebendigen Lerngemeinschaft u. a. intensiv mit der Bibel in gerechter Sprache, mit Gottesbildern in Vielfalt, mit Aspekten der Männlichkeit von Jesus und Paulus, mit der Vision von einer inklusiven Kirche, mit der Spiritualität in den Pilgerpsalmen und mit Sorgeethik als Wirtschaftsethik.

Zwölf Teilnehmerinnen fertigten am Ende des Kurses ein eigenes Werkstück an, in dem sie einem selbst gewählten Thema noch einmal besonders nachgingen. Die Art und Weise war frei und so entstand eine beeindruckende Vielfalt von Werkstücken, manche als Bilder oder Kunstinstallationen, manche in Schriftform. Die Werkstücke konnten in einer eigens für diesen Anlass aufgebauten Ausstellung angeschaut und auch ausprobiert werden, so z. B. ein Memo-Spiel zu Gottesbildern oder ein Segensmantel für eine Trauung in geschlechtergerechter Sprache. Die Besucher_innen konnten eine lebendige „ruach“-Figur (heilige Geistkraft), Gottesdienstentwürfe oder auch einen Bibellesekurs in gerechter Sprache bestaunen.

Text: Irene Pabst, Projektstelle Fernstudium Theologie geschlechterbewusst – kontextuell neu denken, AKD in der EKBO, Frauenarbeit
Fotos: Susanne Jordan, Berlin


Werkstücke der Absolvent*innen


Weitere Informationen zum Fernstudium „Theologie geschlechterbewusst – kontextuell neu denken“