Tagung: Rassismuskritische Perspektiven für die evangelische Jugendarbeit
Der Schwerpunkt der diesjährigen Herbstkonferenz liegt zum einen auf der Reflektion des eigenen Verwoben-sein in Rassismus und soll zum Anderen den Blick öffnen für die Perspektiven von Menschen, die negativ von Rassismus betroffen sind. Folgende Fragen können uns dabei leiten: Welche konkreten Erfahrungen machen BPoC, auch in Kirche? Wie nehmen weiße Menschen Rassismus wahr? Welche Relevanz hat die Auseinandersetzung mit Rassismus aus gemeinde-pädagogischer Perspektive? Wie und wo sind Kirche und Theologie von Rassismus durchzogen?
Wir werden uns auf der Konferenz auch mit weißen Abwehrstrategien beschäftigen, das Spezifische an rassismuskritischer Praxis innerhalb von Theologie und Kirche besprechen und so an dem Destabilisieren von Rassismus arbeiten.
In thematisch und methodisch unterschiedlichen Workshops wird die Auseinandersetzung mit Rassismus und rassismuskritischen Ansätzen vertieft.
Vorläufiges Programm
Workshops
Workshop 1
„Heilsam rassismuskritisch – Glaubensgespräche gegen Rassismus“ ist eine kontextualisierende Übersetzung der „Sacred Conversations to end racism“
von Dr. Velda Love aus unserer Partnerkirche der United Church of Christ (UCC) in den USA
mit Ulrike La Gro und Nathaly Kurtz
In den Gesprächen werden Mythen weißer Überlegenheit in der Tradition restaurativer Gerechtigkeit aufgedeckt. Es geht uns um die Suche nach einer gerechteren Sprache und nach Strategien, Rassismus abzubauen. Nach einer Theologie und Spiritualität, die uns nicht einengt, sondern ermutigt, gegen Rassismus zu handeln.
Der Workshop ist methodisch vielfältig gestaltet: Kleingruppen, kurze Videos, evtl. kurze Texte, Körperübungen usw.
Die Referentinnen:
Mein Name ist Nathaly Kurtz, ich bin 23 Jahre alt und wohne und studiere Theologie in Berlin. Ich bin afro-karibische Deutsche und seit einigen Jahren politisch und in der Kirche antirassistisch aktiv.
Ich bin Ulrike La Gro, wohne in Frankfurt am Main und schließe neben meiner Arbeit im Bereich Kirchenasyl aktuell mein Theologiestudium ab. Ich bin weiße Deutsche, 30 Jahre alt und habe zwei Kinder.
Gemeinsam absolvieren wir momentan eine 3-jährige Ausbildung bei Dr. Velda Love in den USA. Wir freuen uns darauf, gemeinsam die Gespräche im deutschen Kontext zu beginnen. Vielleicht – wir hoffen es – bringen wir uns gegenseitig weiter. Hin zu einer solidarischen und offenen Gesellschaft und Kirche, in der wir ohne Angst verschieden sein können und alle willkommen sind.
Workshop 2
Rassismuskritische Ansätze in der religions- und gemeindepädagogischen Praxis
mit André Becht, Kristina Herbst und Nina Schmidt
In diesem Workshop werden wir die grundlegenden Fragen, Ziele und Perspektiven von Rassismsukritik bearbeiten. Die eigene Positionierung spielt dabei immer eine Rolle und wird herausgefordert durch selbstreflexives Tun und Denken. Die eigenen Herausforderungen und Unsicherheiten innerhalb der Bearbeitung von Rassismus werden ebenso Thema sein wie die spezifische Verknüpfung von Rassismuskritik und theologischer, religionspädagogischer Praxis. Wir fragen uns: Wo spielt Rassismus innerhalb von Kirche eine Rolle, innerhalb von Theologie? Wo begegnet er mir in meinem Tun, in meinem Handlungsfeld, in mir? Welche hoffnungsvollen Perspektiven können wir erarbeiten?
Der Workshop wird durchgeführt von André Becht, Studienleiter im AKD für den Arbeitsbereich Leben in Vielfalt und Kristina Herbst und Nina Schmidt, Projektleiterinnen des DisKursLab – Labor für rassismuskritische und antisemitismuskritische Bildung und Praxis an der Evangelischen Akademie zu Berlin
Workshop 3
„Antirassistisch in Bewegung kommen“
mit Rosa Fava
Rassismus mit Blick auf die Kirche wird im Großen (Mission) wie im Kleinen (Beratungsangebote nur auf Deutsch) wirksam, hat historisch und aktuell unterschiedliche Erscheinungsformen, ist eher strukturell bedingt oder geht mehr oder weniger bewusst von Individuen aus. Im Workshop gibt es die Möglichkeit, im Dialog mit anderen das eigene Verständnis von Rassismus zu erweitern und zu vertiefen, sich über die Relevanz für den eigenen Arbeitsalltag zu vergewissern und auch Ideen für Veränderungen zu entwickeln. Es wird im Plenum, überwiegend aber in Kleingruppen gearbeitet, der Austausch steht im Vordergrund.“
Referentin:
Rosa Fava ist promovierte Erziehungswissenschaftlerin und befasst sich schwerpunktmäßig mit Antisemitismus, Rassismus, Migration und Diversität. Sie leitet die ju:an-Praxisstelle antisemitimus- und rassismuskritische Jugendarbeit der Amadeu Antonio Stiftung in Berlin.
Workshop 4
Rassismuskritische Haltung entwickeln
mit Steffi Nitsche und Felipe Frozza
In diesem Workshop werden wir uns gemeinsam auf den Weg begeben um unsere eigene Positionierung, eigene Verwobenheit und Vorurteile besser verstehen und erkennen zu lernen. Hierzu werden wir mit unterschiedlichen Methoden und Techniken zur Selbstreflektion der Frage nachgehen, wo wir gerade bei der Auseinandersetzung mit Rassismus und kritischem Weißsein stehen. Ziel soll es sein eine klare eigene Haltung zu entwickeln, um rassismuskritisch agieren und sich im eigenen Arbeitsumfeld entschlossen gegen rassistische Diskriminierung einsetzen zu können.
Referent*innen:
Steffi Nitsche ist Soziologin und arbeitet als Bildungsreferentin in der außerschulischen politischen Jugend- und Erwachsenenbildung. Ihre Schwerpunkte sind Diskriminierungssensibilisierung, Umgang mit Privilegien, Geschlechterrollen, kritisches Weißsein und Umgang mit Konflikten.
Felipe Frozza hat ein für Diplom Internationale Beziehungen und ist Filmemacher und Bildungsreferent. Seine Themen sind vor allem Antidiskriminierung, Diversity, Queernes, globale Machtverhältnisse und de-koloniale Praktiken.
Workshop 5
Was ist Critical Whiteness?
mit Tsepo Bollwinkel
Critical Whiteness ist zunächst und vor allem eine Schwarze Überlebenswissenschaft.
Schwarze Menschen sind seit Jahrhunderten gezwungen, weißes Verhalten zu studieren und zu kennen – um in einer von weißer Dominanz geprägten Welt zu überleben. Nur in einer Welt, die Rassifizierungen als Kategorien für die Zuteilung von Privilegien erstellt hat, macht es überhaupt Sinn, einen quasi ethnologischen Blick auf weiße Menschen zu richten. Und weil alle nichtweißen Menschen die bitteren Konsequenzen weißer Dominanz, der white supremacy, tragen müssen, ist das Forschen und Wissen zu gesellschaftlichen Strukturen, geisteswissenschaftlichen und historischen Ursprüngen, sozialen und politischen Auswirkungen sowie die identitären Verankerungen von Weißsein für sie eine Notwendigkeit.
In Deutschland wird Critical Whiteness zumeist verstanden als die reflektierende Beschäftigung weißer Menschen mit ihren Privilegien. Das ist eine durchaus legitime Herangehensweise. Aber das Ausblenden der Schwarzen Ursprünge, das Besetzen Schwarzen Wissens und attraktiver Positionen in diesem Bereich durch weiße AkademikerInnen, der Irrtum, dass der Besuch eines Workshops oder das Lesen von Büchern als ausreichend empfunden werden, um sich persönlich Absolution zu erteilen und sich als ExpertIn zu verstehen, ist ein typisches Merkmal weißen Privilegiertseins, ist ein bewusstes oder unbewusstes Ausagieren von white supremacy.
Referent*:
Tsepo Bollwinkel Keele, Jahrgang 1961 in deutschen Exil aufgewachsener Südafrikaner, nicht binäre Person, männliche Performance, studierte Musik, heute 1. Solo-Oboist bei den Lüneburger Symphonikern, seit Jahrzehnten aktivistische Tätigkeiten in der Schwarzen Community, verheiratet, 2 Kinder
Workshop-Übersicht Herbstkonfernz 2022 als PDF
Die Herbst-Konferenz ist wie immer offen für alle Menschen, die in der evangelischen Jugendarbeit tätig sind und damit auch ein Ort der Vernetzung, des Austauschs und des Miteinanders.
Es gelten die Stornobedingungen für Einzelpersonen des Missionshaus Malche e.V.
|