Interreligiöses Gedenken in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück

„Uns alle eint das Wissen, dass wir nicht voraussetzungslos leben, sondern bestimmt sind durch unsere Geschichte. Was hier in Ravensbrück und an all den anderen Leidensorten während der Nazizeit geschehen ist, rührt uns menschlich an. […] Uns verbindet das Wissen, dass wir diese Trauer aushalten müssen – weil das das Mindeste ist, was wir den hier gequälten und getöteten Menschen schuldig sind. Und auch weil das Wissen um Ravensbrück […] wichtig ist, um unsere Gegenwart besser zu verstehen und zu gestalten.“

Mit diesen Worten eröffneten Iman Andrea Reimann, Vorsitzende des Deutschen Muslimischen Zentrums in Berlin, und Rabbinerin Dr. Ulrike Offenberg im Jahr 2018 das Interreligiöse Gedenken in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück.

Auch in diesem Jahr hätte am 19. April im Rahmen des Gedenkwochenendes des 75. Befreiungstages des Konzentrationslagers Ravensbrück ein interreligiöses Gedenken stattgefunden – wieder vorbereitet durch die Zukunftswerkstatt „Interreligiöses Gedenken Ravensbrück“. Auch diese Veranstaltung wurde Corona-bedingt abgesagt. Gedenken werden wir dennoch an diesem Tag – alle an unseren Orten, verbunden durch das gemeinsame Anliegen.

Die Zukunftswerkstatt vereint drei- bis viermal im Jahr muslimische, jüdische und christliche Frauen und Männer. Neben der Entwicklung von „Gedenkformen“, die für Menschen aller Weltanschauungen anschlussfähig sind, rückt die Frage danach wie heute Gedenken gestaltet werden kann immer stärker in den Mittelpunkt. Mit der Beteiligung junger Menschen – Schüler*innen, Jugendliche und junge Erwachsene verschiedener Projekte und Initiativen – spannen wir den Bogen von den inhaftierten, ausgebeuteten, gequälten und ermordeten Frauen der Vergangenheit zu einer Generation junger Menschen in einer Gegenwart, in der nur noch wenige Zeitzeug*innen leben und die mit ihren Themen und politischen Entwicklungen Einfluss hat auf die Art und Weise des Gedenkens. Dies gelingt gerade dadurch, dass die Werkstatt eine Werkstatt im wahrsten Sinne ist und bleibt. Immer neue Interessierte engagieren sich, allein oder mit ihrem Projekt. Einige bleiben der Zukunftswerkstatt länger verbunden. Alle werden gehört und ihre Ideen werden aufgenommen. Tragender Grund ist eine Atmosphäre des Miteinander- und Voneinander-lernen-wollens und das Vertrauen, dass daraus etwas Gutes wird.

Für das diesjährige Gedenken stand das Thema „Zwangsarbeit“ im Mittelpunkt. Zur Mitwirkung waren Jugendliche des Kirchenkreises Oberes Havelland und das Projekt „Grüneberg ERINNERT“ eingeladen, in dem junge Erwachsene die Geschichte eines Ravensbrücker Außenlagers aufarbeiten. Geplant war eine Performance, die beispielhaft Bezug nimmt auf Werkstücke, die in Zwangsarbeit hergestellt wurden: Munition und Socken. Aus den Fäden aufgeräufelter Socken sollten Netzwerke gespannt werden zwischen den Gedenkenden als Zeichen der Verbundenheit in aller Verschiedenheit. Diese Ideen werden wir mitnehmen für die Vorbereitung des Gedenkens im nächsten Jahr.

Autorinnen

Magdalena Möbius, Pfarrerin und Studienleiterin für Frauenarbeit im Amt für kirchliche Dienste in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz;
Franziska Pätzold, Pastorin im Frauenwerk der Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland

Information

Von 1939 bis 1945 war Ravensbrück das zentrale Frauen-Konzentrationslager des NS-Regimes. Mehr als 120.000 Frauen und Kinder aus über 30 Ländern sowie 20.000 Männer und 1.200 weibliche Jugendliche wurden dorthin verschleppt. Zu dem Lagerkomplex gehörten, neben dem Frauenlager, ein kleineres für Männer, zahlreiche Außenlager, das Siemenslager und das „Jugendschutzlager“ Uckermark. Mindestens 28.000 Häftlinge wurden hier durch die Haftbedingungen, Erschießungen, Gas und Medikamente umgebracht. Am 30. April 1945 wurde das Konzentrationslager befreit. Die Mahn- und Gedenkstätte lädt jedes Jahr zu einem Gedenkwochenende mit zahlreichen, auch internationalen Veranstaltungen ein.

Da in diesem Jahr alle Veranstaltungen abgesagt werden mussten, luden die Gedenkstätten zu einem Online-Programm anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung der Konzentrationslager ein. Am Montag, dem 13. April 2020, starteten die Gedenkstätten auf Facebook, Twitter und Instagram Posts unter #BrandenburgMemorials und #75Liberation. Eindrucksvolle Biografien und Geschichten, Interviews, Kunstprojekte, Kurzfilme und natürlich die Überlebenden selbst informieren und setzen sich mit der Befreiung vom nationalsozialistischen Terror auseinander. Der Online-Jahrestag fand am 19. April 2020 mit einem besonders dichten und facettenreichen Programm statt.


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