Abstrakt: „Körper, Begehren und Identität. Überlegungen zum Begriff des κόλπος, angewandt auf den Vater und den Sohn“
Im 2. Jahrhundert identifizierte der Apologet Justin der Martyrer die Gestalt Jesu mit dem aus der stoischen Philosophie stammenden Logos spermatikos. Nach dem Stoizismus hat Gott, die Quelle aller Vernunft, seinen Samen in der Welt ausgestreut und ihn besonders in die Menschen gepflanzt, die sich von den Tieren gerade dadurch unterscheiden, dass sie vernunftbegabt sind (Anteil am göttlichen Logos). Da das Johannesevangelium jedoch ursprünglich nicht mit der stoischen Philosophie, sondern mit der hebräischen Tradition der weiblichen Personifikation der Weisheit verbunden ist, können wir ein anderes Bild des Logos entwickeln, den Logos kolpotikos, den ich dem traditionellen Logos spermatikos gegenüberstellen möchte. Der Logos spermatikos ist sprachlich und in Analogie auf einen Aspekt der männlichen Sexualität bezogen. Der Logos kolpotikos hingegen ist sprachlich und analogisch auf einen Aspekt der weiblichen Sexualität bezogen und hat aus diesem Grund das Potenzial, die Exklusivität der intimen leiblichen Verbindung zwischen Männlichkeit und Christus zu erschüttern.
Kurzbiografie: Teresa Forcades i Vila (1966) ist Ärztin, Theologin und Benediktinernonne im Bergkloster von Sant Benet de Montserrat (Katalonien, Spanien). Master of Divinity (Harvard, 1997), Doktor in Medizin (U. Barcelona, 2004) und Doktor in Sakraltheologie (Facultat de Teologia de Catalunya, 2007). Seit 2011 unterrichtet sie in ihrem Kloster und im Ausland Kurse zu theologischen und medizinischen Themen; sie war auch Vertretungsprofessorin für Prof.in Dr.in Ulrike E. Auga an der Humboldt-Universität zu Berlin (2013–14) und an der Universidad Iberoamericana de Ciudad de México (2018–19). Von 2015 bis 2018 nahm sie eine Beurlaubung von ihrem Kloster (Exlaustration) wahr, um sich politisch in der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung zu engagieren. Seit 2017 ist Forcades Direktorin der Zeitschrift für christliches kritisches Denken Iglesia Viva (iviva.org) und moderiert eine wöchentliche Radiosendung im katalanischen Radio (Pàgines que m‘han corprès bei radioestel.cat). Seit 2020 ist sie Rektorin der Klosterschule Sinclètica (www.sincletica.cat)
Veröffentlichungen: auf Englisch ‚Faith and Freedom‘ (Polity Press, 2016) und die weitverbreitete Broschüre ‚Crimes and Abuses of the Pharmaceutical Companies‘ (Cristianisme i Justícia, Booklet 124, 2006). „Fake Democracies and the Political Consequences of the Christian Notion of the Person“, in: Auga Ulrike u. a. (Hgs.), Widerstand und Visionen – der Beitrag postkolonialer, postsäkularer und queerer Theorie zu Theologie und Religionswissenschaften, Jahrbuch der ESWTR, 22 (2014). 55-68. Auf Katalanisch, Spanisch oder Italienisch hat sie elf weitere Bücher, darunter ‚La teologia feminista en la història‘ (Feministische Theologie in der Geschichte, 2007), ‚Ser persona, avui‘ (Heute ein Mensch sein, 2011), ‚Per amor a la justícia: Dorothy Day i Simone Weil (Aus Liebe zur Gerechtigkeit: Dorothy Day und Simone Weil, 2015), ‚Els reptes del Papa Francesc‘ (Die Herausforderungen von Papst Franziskus, 2017), ‚Il Corpo, Gioia di Dio: la materia come spazio di incontro tra divino e humano‘ (Der Körper, die Freude Gottes? Die Materie als Ort der Begegnung zwischen dem Menschlichen und dem Göttlichen, 2019) und ‚Forte come la morte è l’amore. Commento al Cantico dei Cantici‘ (So stark wie der Tod ist die Liebe. Ein Kommentar zum Hohelied, im Druck).
Prof. in Dr.in Ulrike E. Auga | Professorin für Theologie und Geschlechterstudien | AKD Berlin | weitere Informationen und Literaturhinweise
Das Fernstudium ist eine Kooperation der Frauen*arbeit der EKBO mit der EFiM der EKM. Der öffentliche Vortrag ist eine Kooperation mit der Humboldt-Universität zu Berlin. Wir danken allen Kooperationspartner:innen.