Werktag Innovation »Am Ende der Illusion« – was hält uns noch zusammen?
Beim Werktag »Am Ende der Illusion« im September 2023 trafen sich rund 150 Teilnehmer:innen, um gemeinsam über die Zukunft der Kirche nachzudenken. Ursula Hahmann und Valentin Dessoy leiteten durch den Tag und stellten dabei Fragen, die tief unter die Oberfläche gingen: Was hält uns im Kern zusammen? Wie gelingt das Loslassen des Alten? Welche Unterstützung brauchen wir, um auf dem Weg in eine ungewisse Zukunft nicht den Mut zu verlieren?
Im Zentrum des ersten Teils stand die Frage nach dem persönlichen »Warum?«: Warum bin ich Teil dieser Kirche? Was treibt mich an? Dieses »Warum?« ist mehr als nur eine rationale Überlegung – es ist der Motor, der Berufung, Mission und Leidenschaft vereint. Es ist das, was uns in Zeiten des Wandels Orientierung gibt. Durch die Klarheit über die eigene Motivation können wir uns auf das Wesentliche konzentrieren, Komplexität reduzieren und Raum für kreative Ideen schaffen.
Der zweite Teil des Werktages rückte die Frage nach Freiräumen in den Fokus: Hier wurde deutlich, dass es unmöglich ist, das Bestehende zu bewahren und gleichzeitig Platz für Neues zu schaffen. Es erfordert Mut, Angebote und Strukturen kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls zu verabschieden, wenn der Aufwand nicht mehr im Verhältnis zur Wirkung steht. Denn nur, wenn Altes stirbt, kann das Neue entstehen.
Ein Höhepunkt des Tages war der Impulsvortrag von Bischof Christian Stäblein, der das Dilemma der Transformation auf den Punkt brachte: »Diese Kirchenorganisation wird sterben, das ist unausweichlich. Wir schauen dabei zu – mit all den Ambivalenzen, die das mit sich bringt. Wir wissen nicht, wie der Weg der Veränderung aussieht, aber wir wissen, dass wir den ersten Schritt tun müssen, auch ohne die Gewissheit, was uns erwartet.« Seine Worte machten deutlich: Veränderung ist unausweichlich, und sie braucht unsere aktive Beteiligung. Nicht zu handeln, ist keine Option.
Der Tag endete mit einer klaren Erkenntnis: Das »Ende der Illusion« ist die Chance auf einen Neuanfang. Doch dieser Neuanfang erfordert, dass wir bereit sind, zu lernen, zu experimentieren und Fehler zu machen. Wenn wir den Mut aufbringen, alte Strukturen loszulassen, können wir den Raum schaffen, in dem etwas Neues entsteht.
Werktag Innovation »Vorsicht Stufe« – Ankommen im Dazwischen
Im März 2024 folgte der nächste Schritt: Der Werktag »Vorsicht Stufe«, der sich intensiv mit dem Übergang von der alten in die neue Kirchenrealität auseinandersetzte. Dr. Christopher Scholz beschrieb in seinem Impulsvortrag diesen Prozess als »Ankommen im Dazwischen« – einen Zustand, in dem alte Ordnungen nicht mehr gelten, aber das Neue noch nicht sichtbar ist. Der Vergleich zur Metamorphose einer Raupe, die im Kokon auf ihr neues Dasein als Schmetterling wartet, traf den Kern: Transformation braucht Zeit und das Aushalten des Unbekannten.
Dieses »Dazwischen« ist ein aufreibender Zustand. Er ist geprägt von Unsicherheit und dem Verlustschmerz dessen, was gewesen ist, aber gleichzeitig eröffnen sich kreative Räume, in denen neue Visionen entstehen können. Es ist eine Phase der Ambivalenz, in der sowohl Angst als auch Hoffnung Platz haben. Doch nur, wenn wir lernen, dieses Dazwischen zu akzeptieren, wird es möglich sein, das Alte loszulassen und das Neue zu gestalten.
Die Teilnehmenden setzten sich in vier Workshops mit den Abschieden auseinander, die die Kirche vollziehen muss. Es ging um das Loslassen von Traditionen, Strukturen und Denkmustern, von Angeboten, die nicht mehr tragen, und von Ressourcen, die nicht mehr verfügbar sind. Auch das schmerzliche Thema des Verlusts von Menschen, die die Kirche verlassen, wurde offen angesprochen.
Ein besonders bewegender Moment war das gemeinsame »Trauermahl«, das Gelegenheit bot, Trauerreden zu halten, Erinnerungen zu teilen und das Vergangene würdig zu verabschieden. Der Tag schloss mit einer Prozession, die symbolisch den Weg des Loslassens und der Transformation verdeutlichte.
… der nächste Werktag Innovation, vielleicht »Irgendwie anders …«?
Die Kirche, wie wir sie kennen, steht vor einer ungewissen Zukunft. »Vorsicht Stufe« erinnert uns daran, dass wir nicht einfach weitermachen können, als wäre nichts geschehen. Es geht darum, innezuhalten, die Ambivalenzen des Übergangs auszuhalten und uns aktiv mit dem Dazwischen auseinanderzusetzen.
Die Transformation der Kirche ist ein schmerzhafter, aber notwendiger Prozess. Sie erfordert Mut, Neugier und die Bereitschaft, Fehler zu machen. Doch am Ende dieses Weges wartet die Chance auf eine Kirche, die sich neu erfindet – anders, als wir sie kennen, aber voller Möglichkeiten. Wie diese Zukunft aussehen wird, wissen wir noch nicht. Aber eines steht fest: Es geht weiter. Auch mit dem nächsten Werktag im Herbst 2025!
Verena Kühne und Arlett Rumpff

Dieser Artikel ist Teil des AKD-Arbeitsberichts 2023/2024.
Fotos: Verena Kühne