Anregungen für Kirchengemeinden
Covid-19, Ausnahmezustand mit Zwangspause
Kontakte unterbunden, Distanz verordnet, Geschäfte geschlossen, öffentliches Leben lahmgelegt, Familienbesuche untersagt, Reisen storniert – für viele heißt das auch: Arbeiten, Schule und Kinderbetreuung zu Hause, Kurzarbeit oder Freistellung, kein Besuch bei Großeltern, im Pflegeheim, im Krankenhaus. Und: Sämtliche Veranstaltungen wurden abgesagt, auch in der Kirche, sogar Gottesdienste. Irgendwie richten wir uns ein – im Ausnahmezustand. Manche, auch viele Kirchengemeinden, entdecken dabei Neues, entwickeln eine ganz neue Kreativität.
Und nun?
Aktuell werden politisch die strikten Regelungen der vergangenen Wochen für einzelne Bereiche gelockert: für Geschäfte, Schulen, Öffentlichkeit, auch für Gottesdienste. Begleitet von nahezu täglichen Mahnungen vor vorzeitiger Sorglosigkeit.
Ist Corona vielleicht doch nur eine Episode?
Wir könnten jetzt möglichst schnell einfach den Reset-Knopf drücken, die Zwangspause vergessen und in den (alten) Alltag zurückkehren. Die Sehnsucht ist verständlich. Aber wir meinen: Das ist kein guter Weg. Jetzt einfach alles wieder zurück auf Start? Das wäre wenig verantwortungsbewusst und auch schade.
Jetzt haben wir die Zeit
Wir sollten unsere vormalige Praxis und die aktuellen Erfahrungen reflektieren und daraus Schlussfolgerungen für einen neuen Alltag ziehen. Die folgenden Fragen und Anregungen sind ein Angebot, das Geschehene zu reflektieren und das Beste daraus für Ihren Gemeindealltag nachhaltig zu nutzen.
Folgende Schritte können Sie dabei gehen:
1. Gönnen Sie sich einen Moment Zeit zur Reflexion Ihrer Erfahrungen mit der aktuellen Situation, bevor Sie anfangen, wieder konkret Veranstaltungen und andere Vorhaben in Ihrem Gemeindeleben zu planen. Tun Sie das gern zunächst allein, dann aber auch im Team des Gemeindekirchenrates und/oder der Mitarbeiter*innen:
- Was war / ist für Sie in der gegenwärtigen Situation besonders schwierig?
- Was empfinden Sie im Blick auf die zurückliegenden Wochen als Chance, Gewinn, anregend, gut gelungen?
- Welche der ursprünglich geplanten, aber abgesagten Veranstaltungen oder Vorhaben haben besonders gefehlt?
- Was von dem ursprünglich Geplanten hat eigentlich gar nicht gefehlt?
2. Setzen Sie Prioritäten, bevor Sie wieder „hochfahren“:
- Was ist für Sie inhaltlich am wichtigsten, wenn die Aktivitäten wieder hochgefahren werden?
- Überlegen Sie, was an erster Stelle steht / stehen soll?
- Was davon ist organisatorisch realisierbar?
- Klären Sie dies in Anbetracht der politischen / rechtlichen Vorgaben (Distanzregelung, Größe von Veranstaltungen, Sozialformen etc.) wie auch Ihrer tatsächlichen Möglichkeiten.
- Was nehmen Sie unbedingt neu in den Blick und was streichen Sie dauerhaft oder vorübergehend aus dem Programm?
- Entscheiden Sie begründet, halten Sie Ihre Überlegungen fest, machen Sie Ihre Gründe transparent und stellen Sie sie zur Diskussion.
Was wir jetzt und auch noch in absehbarer Zukunft bei allen Überlegungen unbedingt beachten müssen: Abstandswahrung zur Verhinderung von Übertragungen bleibt die wichtigste epidemiologische und politische Forderung. Solange kein Impfstoff existiert (vermutlich bis Mitte 2021), ist dem alles unterzuordnen.
Das bedeutet für alle persönlich: Bitte beachten Sie aktuell und in den nächsten Wochen und Monaten unbedingt das „Gebot der Stunde“: Abstand zu wahren,
- um infektiöse Ansteckungen möglichst zu vermeiden,
- um Übertragungswege vor allem für ältere und gesundheitlich beeinträchtigte Mitmenschen zu unterbrechen,
- um unser Gesundheitssystem und Mitarbeiter*innen im Gesundheitswesen und in der Pflege nicht fahrlässig zu überlasten.
Wahren Sie Abstand, auch wenn andere damit leichtfertig umgehen.
Das bedeutet für alle kirchlichen Aktivitäten:
- Veranstaltungen mit physischer Präsenz müssen den Abstand von 1,5 bis 2 Meter zwischen Teilnehmer*innen garantieren. Das trifft auf Dienstbesprechungen und Sitzungen ebenso zu wie auf Gemeindeveranstaltungen, Feste, Gottesdienste, Besuche, Seelsorge.
- Im Blick auf Konfirmationen und andere Kasualien ist zu berücksichtigen, dass der Gemeinschaftsaspekt unter diesen Bedingungen nur sehr eingeschränkt erfüllt werden kann. Gemeinsames Singen, Spielen, Tanzen, Abendmahlfeiern sind schwer vorstellbar. Denn die Anzahl an Teilnehmer*innen ist stark begrenzt. In vielen Kirchenkreisen ist deshalb vereinbart worden, dass solche Veranstaltungen wohl auch weit über den Sommer 2020 hinaus noch nicht wieder ohne Einschränkungen durchgeführt werden können.
- Auch das Treffen von Kinder- und Jugendgruppen, Chören und die Durchführung von Freizeiten und Rüstzeiten oder Gemeindefahrten betrifft das.
- Hochzeiten, Jubelfeiern, Taufen können nur in kleinem Rahmen stattfinden. Auch bei Trauerfeiern und Beerdigungen sind die staatlichen Regelungen und örtlichen Vorgaben zu beachten.
Empfehlung
Treffen Sie Verabredungen möglichst über Ihre Kirchengemeinde hinaus (in der Region, im Kirchenkreis), damit auch in dieser Hinsicht unsere gemeinschaftliche Verantwortung öffentlich sichtbar wird.
Halten Sie sich an die staatlichen Vorgaben und Regelungen. Insbesondere bei Kinder- und Jugendfreizeiten orientieren Sie sich an den Beschlüssen der Kultusministerkonferenz zu Schulfahrten und der Jugendministerkonferenz sowie der Landesministerien in Bezug auf die Kinder- und Jugendhilfe.
Wunsch
Behalten Sie die Zuversicht, Hoffnung und den Blick für Neues. Wer hätte gedacht, dass wir auf einmal so vieles Selbstverständliche infrage gestellt sehen? Wer hätte gedacht, dass wir die Chance erhalten, so vieles Selbstverständliche grundsätzlich zu hinterfragen und für uns neu zu klären. Wir dürfen das tun aus der Freiheit, die uns in Jesus Christus geschenkt ist. Denn durch ihn sind wir zur Freiheit als Kinder Gottes berufen.
Einladung
Wir vom AKD unterstützen und begleiten Sie gern in dieser herausfordernden, spannenden Zeit auf Ihren Wegen. Wenden Sie sich gern an uns.
Ideen
Wir laden Sie auf diesem Weg schon mal zu einem Experiment ein. Stellen Sie sich vor, Sie schauen in einem halben Jahr, also Anfang Dezember 2020, auf die Zeit seit März zurück und sehen, was sich wie entwickelt hat in Ihrer Kirchengemeinde oder Region. Was werden Sie dann entdecken? Was hat sich verändert, was ist geblieben, was ist stärker geworden, was ist weggefallen? Was wünschen Sie sich, das sich entwickelt haben soll? Nehmen Sie dieses so entstandene Bild immer wieder für Ihre weiteren Überlegungen und Verabredungen in den Blick.
Oder gründen Sie in Ihrem Umfeld mit Menschen aus der Gemeinde, dem GKR, dem Team aus Ehrenamtlichen und Beruflichen oder auch Partnern aus dem Gemeinwesen in der Region einen „Pandemie-Club“. Treffen Sie sich digital oder analog – mit dem gehörigen Abstand – und beraten Sie zusammen, was sich nach Corona entwickelt haben wird oder Ihrer Meinung nach nachhaltig entwickelt haben sollte.
Stand | 29.04.2020